Gemeinsam ist Mensch weniger allein

In Würde altern

Wie können Menschen in Würde altern und welche neuen Wege eines gemeinsamen Lebens gibt es derzeit beziehungsweise welche sind denkbar? Welche Erfahrungen rund um die Pflege in den eigenen vier Wänden gibt es schon? Wo stößt Teilhabe durch Barrieren im Stadtbild oder altersbedingte Veränderungen an seine Grenzen? Was ergibt sich daraus für Betroffene, für Angehörige, aber auch für Pflegende?

Diesen und weiteren Fragen gingen wir gemeinsam mit dem ISSO-Institut, der Universität Koblenz und der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung bei einer hochkarätig besetzten Abendveranstaltung in der Stadtbibliothek in Koblenz nach.

Die von Beatrix Sieben vom ISSO-Institut moderierte Abendveranstaltung zeigte Möglichkeiten, aber auch Missstände auf. Die Vorträge thematisierten nämlich auch Problembereiche, die ansonsten im öffentlichen Diskurs gerne unter den Tisch fallen. So ging es zum Beispiel darum, welche Beschwernisse sich im städtischen Leben für ältere Menschen ergeben können, wie die Verständigung und das Miteinander leiden, wenn Augen und Ohren ihren Dienst aufgeben, und weshalb es auch zu Übergriffen und Gewalt kommen kann, die sich im Bereich der Pflege nicht zuletzt aus der Überforderung der Betreuenden ergeben können.

Mit ihrem Impulsreferat „Zur Sorge um die Demokratie durch die Sorge um Care“ wies Prof. Dr. Daniela Gottschlich von der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz auf die Notwendigkeiten von gesellschaftlichem Wandel hin, um dem Thema Pflege bzw. Care insgesamt mehr Sichtbarkeit und eine Stimme zu verleihen. Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen wurden Ansätze vorgestellt, die das Thema als einen wichtigen Ansatz zur Stabilisierung von Demokratie aufzeigten.

  • Ein soziales Miteinander und ein wertschätzendes soziales Gefüge, bei dem alternde Menschen selbstverständlich bedacht und berücksichtigt werden, stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar.
  • Wenn immer mehr Menschen länger leben und ihre gesellschaftliche Teilhabe weiterhin ermöglicht werden soll, braucht es neue Konzepte.
  • Altern in Würde benötigt Inklusion und Integration.

Mit einem Blick auf die Herausforderungen im Rahmen von Kommunikation und Verständigung, insbesondere zwischen Betroffenen, Angehörigen und weiteren Menschen aus dem Bereich der Pflege, ergänzte Dr. Sabine Nover von der Abteilung Präventions- und Rehabilitationsforschung der Universität Oldenburg diesen Ansatz auch um die Gruppe der Pflegenden, die bereits seit Jahren aus osteuropäischen oder Ländern des globalen Südens deutschlandweit die Pflegeteams verstärken.

  • Live-in-Konzepte, die eine veraltete Vorstellung von 24-Stunden-Betreuung ablösen, stellen eine Ergänzung der Betreuung dar.
  • Die verschiedenen Möglichkeiten, Pflegende ins Haus oder in die Familie zu integrieren sind dabei verhandelbar.
  • Herausfordernd bleibt eine Verständigung zu dritt, was manchmal noch durch sprachliche Handicaps verstärkt wird, wenn Pflegende der deutschen Sprache nicht mächtig sind oder Erkrankte ihr Sprachvermögen eingebüßt haben.
  • Für jede Art der Verständigung spielt auch das Hören eine zentrale Rolle. Der schleichende Prozess des schlechteren Hörens beginnt meist früher, als wir denken.

Das zeigte Prof. Dr. Nicole Hoffmann vom Pädagogischen Institut der Universität Koblenz auf, die das Thema „Leise Ohren – Bedeutung guten Hörens als Grundlage für Teilhabe in unserer Gesellschaft“ als dritten Impulsvortrag einbrachte. Mit praktischen Beispielen wies die Pädagogin darauf hin, dass gutes Hören durch Hilfsinstrumente wie Hörgeräte möglich ist, allerdings deutlich mehr Einweisung, Training mit dem Fachpersonal und Geduld benötigt.

Unsere Clubschwester Karin Stahl stellte unser bereits seit 2018 etabliertes Projekt „Altern in Würde“ vor, mit dem die wirtschaftliche Not von Frauen und Männern in Seniorenresidenzen abgemildert werden soll. Mit einem Gutschein-System, das in den Heimen gut etabliert ist und funktioniert, machen wir ganz praktische Hilfe, wie Friseurenbesuche, neue Bekleidung oder kleine Ausflüge möglich. Die Gutscheine werden über Spenden finanziert und fließen zu 100 Prozent an die Seniorinnen und Senioren.

Markus Schild vertrat das Netzwerk Demenz Koblenz, welches seit 20 Jahren in aktiv ist und demenziell erkrankte Menschen und deren Angehörige berät und unterstützt. Beim Netzwerk handelt es sich um einen Zusammenschluss von Einrichtungen, Diensten, Organisationen und Interessierten in Koblenz. Betroffene können sich an die regionalen Pflegestützpunkte wenden und erhalten eine qualifizierte Beratung. Im Jubiläumsjahr 2024 wird es vielseitige Veranstaltungen geben.

Die Notwendigkeit, Pflege bzw. Care in Deutschland eine Stimme zu geben und insgesamt die Sichtbarkeit für alle in diesem Bereich tätigen Menschen zu verbessern, ist das Anliegen der Initiative Equal Care. Stephanie Krings aus Köln informierte über den Aktionstag Equal Care Day, der am 29. Februar 2024 als hybride Veranstaltungen stattfand und eine beeindruckende Teilnehmerzahl sowie öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr.

Die Veranstaltung wurde ermöglicht durch die Förderung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und der Landesarbeitsgemeinschaft anderes lernen e.V. sowie der Martin-Görlitz-Stiftung.